Christoph Sperrer
Ich mag Wien, die Stadt und die Menschen dort, dennoch freue ich mich, von Zeit zu Zeit nach Hause zu kommen, meine beiden Nichten und meinen Neffen zu besuchen und mich etwas von der Stadtluft zu erholen. Denn geboren und aufgewachsen bin ich in Oberösterreich, das Studium der Rechtswissenschaften hat mich nach dem Gymnasium dann nach Wien geführt. Vor drei Jahren bin ich in das Priesterseminar der Erzdiözese Wien eingetreten und gleich ins Propädeutikum gegangen. Nach zwei Jahren Formation und Studium in Wien bin ich nun in Rom als sogenannter Neugermaniker. Ich studiere im Moment an der Päpstlichen Universität Gregoriana und lebe im Collegium Germanicum et Hungaricum, ein von Jesuiten geführtes Haus mit 70 Kollegiaten, von denen ein gutes Drittel als Priester zum Aufbaustudium hier ist, aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Ungarn, Kroatien, Slowenien, Slowakei, Dänemark, Niederlande und sogar Finnland. Dieses „…ET Hungaricum“ steht für mich pars pro toto für die fordernde und bereichernde Vielfalt und auch Spannung, die ich jetzt schon in den ersten Monaten erlebe und auf die ich mich freue, vor allem den kulturellen und kirchlichen Reichtum der Stadt Rom, die jesuitisch geprägte Formung und ganz besonders die Heterogenität der Gemeinschaft hier im Kolleg, die mir äußerst sympathisch ist. Ich bin sehr dankbar für diese Möglichkeit und, obwohl mir Wien manchmal fehlt, vertraue ich, dass der Zuspruch Christi auch mir gilt.
… vor aller Leistung und trotz aller Schuld
Es ist gar nicht so einfach, meinen Glaubens- und Berufungsweg zu beschreiben, jedenfalls sind diese Wege nicht die kürzesten. Meine Familie ist zwar katholisch, aber kaum praktizierend. Trotzdem würde ich sagen, dass sie mich nach christlichen Werten wie Nächstenliebe, Respekt und Achtung vor allem gegenüber Benachteiligten erzogen haben, oft sehr direkt, aber auch indirekt und wahrscheinlich wesentlich eindringlicher durch ihr Beispiel. Meinen ersten Kontakt zu gelebtem Glauben hatte ich bei meinen Großeltern. Als Bauern waren sie der Kirche in einer sehr traditionellen Art verbunden und pflegten eine typische Art der Volksfrömmigkeit. Obwohl ich während meiner Jugend, wie mein ganzes Umfeld, wenig gläubig war, trieben mich doch ganz grundsätzliche Fragen nach dem Wesen des Menschen und dessen Bestimmung und auch ganz konkrete wie zum Beispiel: „Wie sind Menschenrechte als Naturrecht ohne Gott denkbar?“ um. Das führte mich zur Philosophie, die mir einige taugliche Ansätze zu liefern schien, mich jedoch nicht existenziell zur Ruhe hat kommen lassen. In Wien kam ich in einem katholischen Studentenheim unter, wo ich bald engen Kontakt zum dortigen Studentenseelsorger hatte und den Wert des Betens, der Sakramente, vor allem der Eucharistiefeier, für mich wieder entdeckte. Es waren und sind noch immer die Erkenntnis und die tiefe Sicherheit, dass mich jemand, Jesus Christus, liebt, vor aller Leistung, trotz aller Schuld, mich trägt und zwar von Beginn an, die mich von einem Getriebenen zu einem Suchenden machen. Zweifel betreffen nicht mehr so sehr den Grund, auf den ich mich stelle oder, besser, gestellt worden bin. Denn meinen Glauben empfinde ich als große Gnade, als ein Geschenk, das mir unverdient zuteil geworden ist.
Vor ungefähr sechs Jahren regte sich ein leiser, aber unüberhörbarer Wunsch, Priester zu werden, konkret bei der Messe auch „vorne zu stehen“, oder den Menschen Christus zu zeigen und zwar auf einer intellektuellen Ebene, aber vor allem durch mein Leben, was mit Sicherheit der schwierigere Teil davon ist. Ich erlebe meine Berufung als ein Herausgerufen-Sein, um hineingeschickt zu werden und, pragmatisch gesagt, einen Dienst mit bestimmten Aufgaben zu tun und damit ein klein wenig am Aufbau des Reiches Gottes mitzuwirken.
Zu meinen Leidenschaften gehören die Literatur – ich lese lieber ein Gedicht über einen Berg, als selbst hinaufzugehen – die Musik, im Moment vor allem Oper, und das Karten-Spielen.